"Ängste reduzieren und Chancen erkennen"

Magdeburg,

aspekt Magazin hat in seiner Ausgabe 02/2011 Carmen Niebergall, BWA-Landesgeschäftsführerin für Sachsen-Anhalt interviewt.

In fast allen Lebensbereichen, auch wenn es um Bauen und Wohnen geht, ist immer die Demografie ein Thema. Schrumpfende Einwohnerzahlen, Überalterung ganzer Wohngebiete, altersgerechtes Wohnen, Veränderungen der Infrastruktur und vieles andere mehr. aspekt fragte deshalb die Vorsitzende des Landesbeirates für Demografie, Carmen Niebergall.

aspekt: Welche Aufgabe hat der Beirat zur Demografieberatung der Landesregierung Sachsen-Anhalts?

Carmen Niebergall: Im März 2010 wurde ein Beirat für Demografie in Sachsen-Anhalt berufen. Der Demografie-Beirat unterstützt und berät die Landesregierung bei allen relevanten politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen des Demografischen Wandels. Insbesondere bei der Fortschreibung des „Handlungskonzeptes für eine nachhaltige Bevölkerungspolitik in Sachsen-Anhalt“, hinsichtlich zu ziehender Schlussfolgerungen aus der aktuellen Bevölkerungsprognose sowie zu aktuellen Entwicklungen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatten – auch auf Bundesebene – ist die Meinungsbildung dieses unabhängigen, beratenden Gremiums ein wichtiger Bestandteil der Demografie-Politik in Sachsen-Anhalt. Er ist aufgerufen, innovative Lösungsansätze zu entwickeln, damit die Ziele der gleichwertigen Lebensverhältnisse und die langfristige Sicherung der Daseinsvorsorge in allen Landesteilen verwirklicht werden können. Gemeinsam mit dem Demografie-Beirat ist es unser Ziel, eine Kommunikationsstrategie für das Thema Demografie zu entwickeln und zu begleiteten, um mehr Akzeptanz für das Thema Demografie in der Bevölkerung zu erhalten. Die Geschäftsstelle für den Beirat liegt im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr.

aspekt: Der Beirat ist hochkarätig mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik besetzt. Wie gestaltet sich da die praktische Arbeit?

Carmen Niebergall: Die Arbeit gestaltet sich ausgesprochen praxisbezogen und lösungsorientiert. Unsere Schwerpunkte sind die gemeinsame Suche nach Lösungsansätzen für Sachsen-Anhalt, jungen Leuten Perspektiven zum Hierbleiben zu machen, offen und ehrlich die Probleme anzusprechen sowie Schrumpfung und Alterung als ein positives Signal für mehr Lebensqualität zu sehen.

aspekt: Die Probleme der Demografie sind den Experten schon lange bekannt. Hat man in der Politik und der Wirtschaft die Probleme zu lange verdrängt?

Carmen Nibergall: Das kann ich für Sachsen-Anhalt nicht erkennen. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden zukünftigen Bevölkerungsentwicklung und den daraus resultierenden Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft hatte die Landesregierung bereits im Oktober 2003 beschlossen, ein Handlungskonzept zur „Nachhaltigen Bevölkerungspolitik in Sachsen-Anhalt“ vorzulegen. Das ist dann 2005 mit einem umfassenden Konzept auch geschehen.

aspekt: Welche Ansatzpunkte für eine politische Gegenstrategie werden aufgezeigt?

Carmen Niebergall: Mit dem neuen Handlungskonzept, das zur Zeit erarbeitet wird, wird die Landesregierung Sachsen-Anhalt versuchen, die verbreiteten Ängste vor den Folgen des Demografischen Wandels zu reduzieren und zu einem rationaleren Umgang mit den tatsächlichen und vermeintlichen Problemen beizutragen. Hierzu gehört eine neue Kommunikationsstrategie, die deutlich macht, dass die schiere Bevölkerungszahl und auch die künftige Bevölkerungsdichte keine geeigneten Parameter für die künftige Lebensqualität der Bürger in Sachsen-Anhalt sein müssen und sollen. Deshalb soll die Diskussion angestoßen werden, wie weniger quantitative als vielmehr qualitative Entwicklungstrends in den Vordergrund der Landesentwicklung gerückt werden und Chancen und Möglichkeiten für die Zukunft des Landes aufgezeigt werden können. So müssen z.B. Antworten gefunden werden, wie die „gewonnen Jahre“ der jungen Alten stärker als bisher für Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar gemacht werden können – auch zum Wohle der Betroffenen. Weiterhin ist die ausgezeichnete Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt für junge Frauen und Männer ein qualitatives Signal, in unserem Land eine Familie zu gründen.

aspekt: Welcher Lösungsansatz liegt Ihnen besonders am Herzen?

Carmen Niebergall: Die offene und ehrliche Kommunikation zu allen Fragen der Demografie mit allen Teilen der Gesellschaft. Es darf kein gegenseitiges Ausspielen von Alten und Jungen, von Frauen und Männern, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern geben.

Bei guter Entlohnung bleiben die jungen Leute, insbesondere die jungen Frauen in Sachsen-Anhalt. Das ist für mich der allerwichtigste Lösungsansatz für unser Land. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich dies positiv entwickeln wird, denn der Arbeitsmarkt befindet sich im Umbruch. Die positiven Lösungsansätze aus dem Prozess der Internationalen Bauausstellung in den letzten acht Jahren in Sachsen-Anhalt sollten unbedingt in den Städten weitergeführt werden. Das war Bürgerbeteiligung, wie wir sie uns wünschen. Das hat unseren Städten einen gewaltigen Entwicklungsschub gegeben.

Außerdem geht es darum, gute Beispiele, die schon in den Städten, Gemeinden und Regionen umgesetzt werden, sollten möglichst landesweit greifen. Das ist nicht immer eine Frage des Geldes.

Ich freue mich auf alle, die mitmachen.

Dieses Interview wurde mit freundlicher Genehmigung von aspekt veröffentlicht.