Konstruktives Zusammenwirken im humanitären Interesse bietet Chance für nachhaltige Verbesserung der Beziehungen
Berlin,
Michael Schumann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), erklärt mit Blick auf die gegenwärtige Lage der deutsch-russischen Beziehungen:
«Die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland sind gegenwärtig von politischen Differenzen überschattet, die eine grundlegende Neujustierung des Verhältnisses und einen konstruktiven Dialog in Sachthemen im beiderseitigen Interesse notwendiger denn je erfordern. Hierfür sehen wir aktuell insbesondere folgende Anknüpfungspunkte.
Die Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer Auswirkungen als globale Herausforderung: Hier können Russland und Deutschland gemeinsame Impulse setzen. Die jüngst erfolgreich verhandelte Einigung zur Produktion des russischen Impfstoffes Sputnik V in Deutschland lässt die Hoffnung auf ein konstruktives Zusammenwirken im humanitären Interesse beider Staaten wachsen. Vor diesem Hintergrund sollte die bilaterale Zusammenarbeit und der Austausch im medizinischen Bereich sowie in der pharmazeutischen Industrie stärker vorangebracht werden. Der BWA unterstützt ausdrücklich die von den Ministerpräsidenten Kretschmer (Sachsen), Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Ramelow (Thüringen) befürwortete Zulassung dieses Impfstoffes für Deutschland, wie sie in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wie beispielsweise Ungarn bereits erfolgt ist.
Klimadialog und öko-soziale Transformation: Russland steht wie kaum ein anderes Land der Welt vor der Herausforderung, sich von einer Energiesupermacht im Bereich der fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas zu einem Vorreiter der nachhaltigen Energiewirtschaft zu entwickeln. Deutschland sollte hierbei als zuverlässiger Partner eine gestaltende Rolle einnehmen und durch Maßnahmen des Wissens- und Technologietransfers dazu beitragen, Russland in diesem Sinne beim Aufbau zukunftsfähiger Strukturen und Wertschöpfungskreisläufe zu unterstützen. Die Diversifizierung der russischen Wirtschaft sowie die Erschließung neuer Sektoren, beispielsweise durch nachhaltige Technologie in der Land- und Forstwirtschaft, bieten hierfür vielversprechende Impulse.
Abschaffung aller gegen Russland gerichteten Wirtschaftssanktionen: Nach Auffassung des BWA haben die bisherigen Sanktionen zu keiner Lösung der politischen Differenzen in der Sache geführt und werden auch in der Zukunft nicht dazu beitragen. Wir beobachten, dass der Platz, den deutsche Unternehmen hinterlassen, die sich infolge der Sanktionen aus dem Russlandgeschäft zurückziehen, zunehmend von chinesischen Firmen eingenommen wird. Solcherart verlorene Marktanteile werden für die deutsche Wirtschaft nicht leicht zurückzugewinnen. Die Abschaffung der Sanktionen muss aus unserer Sicht mit einer Wiederaufnahme des bilateralen Dialogs über Vereinfachungen und Entbürokratisierung der Visa- und Einreiseverfahren einhergehen. Weiterhin sind die zahlreichen, nach wie vor stattfindenden Aktivitäten im Kontext der kommunalen und regionalen Partnerschaften, bei der Bildungs- und Hochschulkooperation sowie in Kunst und Kultur an dieser Stelle hervorzuheben. All diese Bereiche leiden unter den bestehenden Sanktionen und bilden trotz aller Wirrungen der letzten Jahre weiterhin ein festes Fundament unserer Beziehungen. Darauf sollten wir nun aufbauen und als Zeichen des guten Willens unverzüglich die erforderlichen Schritte zum Abbau der Sanktionen einleiten.»