Berlin,
BWA: Herr Botschafter, können Sie etwas über den neusten Stand der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Iran und Deutschland sagen? Welches sind die Hauptvariablen im wirtschaftlichen Austausch zwischen den beiden Ländern?
S.E. Botschafter Mahmoud Farazandeh: Angesichts der seit über hundert Jahren bestehenden unabhängigen Beziehungen zwischen Iran und Deutschland und der positiven Einstellung, die beide Länder zueinander haben, hat sich die Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin darum bemüht, verschiedene Aspekte der Beziehungen beider Länder zu vertreten und zu erleichtern. Beide Länder haben viele Kapazitäten, die den gegenseitigen Bedarf decken und voneinander profitieren können.
Iran hat viele Vorteile im Energie- und im Wirtschaftsbereich und deutschen Firmen ist dies zweifellos bewusst: Zugang zu günstigen Energiequellen; Sicherheit; Iran hat eine junge, gebildete Bevölkerung mit guten Ideen; Iran hat einen großen Markt mit 400 Millionen Menschen in der Nachbarschaft, und kombiniert mit dem Kapital und der Technik deutscher Unternehmen können beide Länder sehr viel profitieren.
Die iranisch-deutsche Handelsbilanz hat sich während der Regierungszeit Trumps, als Sanktionen verhängt wurden, verschlechtert. Das deutsch-iranische Außenhandelsvolumen stieg im Jahre 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent auf ca. 3,3 Milliarden Euro, im Jahre 2019 halbierte sich der deutsch-iranische Außenhandel. Das deutsche Exportvolumen betrug im Jahre 2017 mit einem Wachstum von 15,3 Prozent 2,9 Milliarden Euro und in den Jahren 2019 und 2020 nur 1,5 Milliarden Euro. Im Jahre 2021 erreichte es ca. 2 Milliarden Euro.
BWA: Welche Möglichkeiten sind Ihrer Meinung nach für deutsche Unternehmen in Iran vorstellbar – trotz der Hindernisse, der Sanktionen und Unterschiede in den politischen Systemen?
S.E. Botschafter Mahmoud Farazandeh: Die Handelsbeziehungen zwischen Iran und Deutschland können auf eine sehr langer Tradition zurückblicken und haben im Laufe der Geschichte viele Höhen und Tiefen erfahren. Deutsche Produkte und die deutsche Industrie sind den Iranern bekannt und werden von ihnen sehr geschätzt. Vor dem Nuklearabkommen und wegen der Verhängung ungerechter Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran hatte das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern abgenommen, aber wir haben erlebt, dass sofort nach dem Abkommen mit den 5+1 zahlreiche kleine und große Handelsdelegationen zwischen beiden Ländern ausgetauscht wurden und auch die 5. Gemeinsame Wirtschaftskommission im Jahre 2016 in Teheran stattfand. All dies zeigte den festen Willen Teherans und Berlins, die gemeinsamen Handelsbeziehungen auszubauen. Damals begannen sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern schnell zu verbessern, so dass sie im Jahre 2017 3,5 Milliarden Euro erreichten. Dies trägt dazu bei, dass sehr viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit in allen Wirtschaftsbereichen auf beiden Seiten vorhanden sind, aber leider hat der wirtschaftliche Austausch zwischen Iran und Deutschland abgenommen, seit Tump an die Macht kam und Sanktionen verhängt wurden.
Andererseits sind die gesamten iranischen Außenhandelszahlen angesichts der weltweiten wirtschaftlichen Rezession und der Corona-Pandemie zwar etwas zurückgegangen, aber im Vergleich mit dem Rückgang des Handels mit der EU um 76 Prozent ist dies sehr gering. Allerdings haben die Nachbarstaaten Irans und einige asiatische Länder Europa im Portfolio des iranischen Außenhandels ersetzt. Tatsächlich konnte Iran seinen Bedarf am Notwendigsten, an Ausrüstung und Technologie über andere Länder decken und neue Märkte für seine Industrieprodukte finden. Wir streben zwar weiterhin nach einer Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit Europa, wenn jedoch auf der Gegenseite kein Wille vorhanden ist, werden die Vorteile und das Potenzial des großen Profits aus dem Handel und dem wirtschaftlichen Austausch mit Iran dazu führen, dass ernsthafte Konkurrenten den iranischen Markt betreten und die Position Europas wird stark geschwächt werden.
BWA: Herr Botschafter, vielen Dank für das interessante Gespräch!
Eine ausführlichere Fassung des Gesprächs mit dem Botschafter der Islamischen Republik Iran lesen Sie in der nächsten Ausgabe des BWA-Journals.