Der BWA veröffentlicht gemeinsam mit einer Allianz deutscher Wirtschaftsverbände ein Positionspapier zum Thema Demografischer Wandel/ Fachkräftesicherung / Einwanderung
Berlin,
Der BWA veröffentlicht gemeinsam mit einer Allianz deutscher Wirtschaftsverbände ein Positionspapier zum Thema Demografischer Wandel/ Fachkräftesicherung / Einwanderung.
Bundesverbände der deutschen Wirtschaft fordern ein Einwanderungsgesetz
Der starke und unkontrollierte Zustrom geflüchteter Menschen in diesem und wohl auch im kommenden Jahr wird Deutschland vor enorme Herausforderungen stellen. Aller Belastung zum Trotz, das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte, Menschen aus Kriegsgebieten und Notleidende schwerer humanitärer Katastrophen ist ein fundamentales Grundrecht, zu dem wir uns weiterhin bekennen müssen. Die Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen muss hier abgegrenzt werden. Hier muss Deutschland auf eine gesteuerte Einwanderung setzen, die dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirkt. Außerdem entlasten legale Zuwanderungsoptionen die Asylverfahren, da aktuell viele Menschen, die auf eine bessere wirtschaftliche Zukunft in Deutschland hoffen, ebenfalls ihren Weg über Asylverfahren suchen.
Zahlreiche Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen signalisieren bereits heute Handlungsbedarf. Die Forderungen kommen nicht nur aus Großbetrieben, sondern vor allem auch aus dem Mittelstand mit Produktportfolios, die nicht selten Weltmarktniveau haben und gerade deshalb einem scharfen internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Da und dort 'knirscht' es bereits: viele aus Altersgründen ausscheidende Mitarbeiter können kaum oder nur unter größten Anwerbungsmühen aus dem In- und Ausland ersetzt werden. Hohe Einwanderer- und Flüchtlingszahlen allein sind kein Garant für die Deckung entstehender Lücken.
"Wir brauchen qualifizierte Einwanderer!" Mit dieser Feststellung bringt der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft, Dipl. Ing. Dirk Bormann, die Situation auf den Punkt. Ohne gezielte Einwanderung von Fachkräften wird es zu erheblichen Verwerfungen am Arbeitsmarkt kommen, denn die inländischen Arbeitsmarktpotentiale sind zunehmend ausgeschöpft und es bestehen begründete Zweifel, ob sich über die aktuell hohe Zahl an Zuwanderern tatsächlich alle Fachkräftebedarfe dauerhaft decken lassen.
Notwendig ist ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Modell. Über jährliche Quoten und gezielte Schwerpunktsetzungen in Engpassberufen kann flexibel auf wirtschaftliche Entwicklungen unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Aufnahmebereitschaft und -fähigkeit reagiert werden. Dabei sind selbstverständlich auch quantitative Effekte aus der Arbeitsmarktintegration der aktuell zu uns kommenden geflüchteten Menschen zu berücksichtigen.
Im Einzelnen fordern die unterzeichnenden Verbände:
Zügige Einführung eines Einwanderungsgesetzes, u.a. mit Aussagen zu folgenden Punkten:
- Jährliche Einwanderungsquoten für qualifizierte Fachkräfte und ihre Familien
- Auswahl der Fachkräfte über ein Punktesystem in Anlehnung an das kanadische Modell
- Komplette Abschaffung der Vorrangprüfungen, da Bedarfe am Arbeitsmarkt bereits über das Punktesystem in die Zuwanderungssteuerung einfließen
- Verpflichtung aller Einwanderer, auch der Familienmitglieder, Deutsch zu lernen
- Schnelle Bewertung und Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen, ggf. Nutzung der Möglichkeiten modulare Qualifikation
- Unterstützungsangebote für Betriebe und Arbeitsmigrant/inn/en im Bereich der Matching- und Integrationsprozesse
- Ausbau von Hochschulkooperationen und -angeboten für ausländische Studenten
- Deutschangebote schon in den Herkunftsländern
- Ausbau der Möglichkeiten zur Aufnahme unternehmerischer Tätigkeit für Einwanderer
Zudem ist zu prüfen, wie die Arbeitsprozesse der zuständigen Verwaltungen deutlich beschleunigt werden können. Die Schaffung von One-Stop Agencies für Migrant/inn/en unter Zusammenführung von Ausländerbehörden und Arbeitsagenturen könnte ein Weg sein. Ferner gilt es in den Diplomatischen Vertretungen in den Herkunftsländern und hier vor Ort eine durchgängige Willkommenskultur zu schaffen. Ausbau von Fremdsprachenkompetenzen zählt hierzu ebenso wie eine einladende Haltung. Begleitet werden sollte dies von offensiver Werbung für Deutschland als Einwanderland mit Fokus auf die jeweiligen Engpassberufe.
Auch die Asylgesetzgebung sollte arbeitsmarktorientiert weiterentwickelt werden. Der eingeschlagene Kurs, neben der Schutzgewährung auch die Perspektiventwicklung für geflüchtete Menschen systematisch anzugehen, wird ausdrücklich begrüßt und sollte fortgesetzt werden. Hierzu zählt etwa das möglichst frühzeitige Erstellen von Qualifikationsprofilen bei Bewerbern mit positiver Bleibeperspektive, möglichst schon im Rahmen der Ersterfassung. Ebenso sollte dieser Personenkreis Möglichkeiten erhalten, Praktika bereits vor der Anerkennung zu absolvieren, denn längere Phasen der Beschäftigungslosigkeit sind „Gift“ für eine gelingende Integration. Für die Dauer einer Ausbildung sollte ein gesicherter Aufenthaltsstatus gewährt werden, möglichst auch darüber hinaus.
Die diesen Aufruf unterzeichnenden Verbände werden das ihrige für einen wirkungsvollen Beitrag der Wirtschaft zu gelingender betrieblicher Integration und Qualifizierung tun. Hierzu zählen insbesondere Anstrengungen im Bereich der betrieblichen Ausbildung sowie die Mitwirkung in regionalen Fachkräftebündnissen.
Hintergrund:
In den nächsten 15 Jahren dürfte sich die Zahl der Erwerbspersonen in Deutschland weiter dramatisch verringern. Bis 2030 wird jeder zweite Arbeitnehmer mit qualifizierter Berufsausbildung die Arbeitswelt verlassen. Noch weiter in die Zukunft gedacht, wird ein Absinken des Arbeitskräftepotentials bis zum Jahr 2050 von jetzt 45 Millionen auf nur noch 29 Millionen befürchtet - wenn nicht für Ersatz gesorgt wird.
Gegenwärtig wird in Deutschland der Fachkräfteknappheit mit Rationalisierungsmaßnahmen, höhere Beschäftigungsquoten bei Frauen und älteren Beschäftigten sowie Qualifizierungs-programmen begegnet. Die leicht zu hebenden Potentiale dieser Fachkräftesicherungswege werden jedoch zunehmend ausgeschöpft.
Hinzu kommen Zuzüge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus EU-Ländern. Im Jahr 2014 registrierte das Statistische Bundesamt einen allgemeinen, nicht auf demografische oder ethnische Differenzierungen ausgerichteten positiven Wanderungssaldo von 470.000 Menschen. Wie viele von ihnen qualifizierte Fachkräfte waren oder sind, ist nur teilweise bekannt. Und nicht zuletzt ist aktuell ein starker Zustrom geflüchteter Menschen zu verzeichnen. Wenn sich der gegenwärtige Level dieses Zustroms halten würde, wären alle Sorgen hinsichtlich des Schrumpfens der Erwerbsbevölkerung weitgehend obsolet. Doch davon ist nicht auszugehen. Warum nicht?
- Erstens: Die hohe Zuwanderung aus EU-Ländern dürfte schon bald deutlich nachlassen, weil auch andere europäische Staaten sinkende Bevölkerungszahlen aufweisen.
- Und zweitens: Für den Fall, dass es zu einer erhofften wirtschaftlichen Erholung im EU-Raum kommt, werden sicherlich nicht wenige der nach Deutschland übergesiedelten Frauen und Männer wieder in ihre Heimat zurückkehren.
- Drittens: die bundesdeutsche (und europäische) Politik wird den eingeschlagenen Kurs der konsequenten Umsetzung und teilweisen Verschärfung des Asylrechtes fortsetzen.
Lesen Sie das vollständige Positionspapier hier (pdf).