Afrika ist ein absoluter Chancenkontinent

Interview mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel

Berlin,

BWA: Sie haben ja bei der Veranstaltung wirtschaft.entwickelt.global im Ludwig Erhard Haus ganz klar den Schwerpunkt darauf gesetzt, dass Ihr Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit und nicht Entwicklungshilfe steht. Was unterscheidet das BMZ von einem Entwicklungshilfeministerium?

Natürlich helfen wir in Notsituationen, etwa bei Hunger und Naturkatastrophen – hier geht es ums Überleben. Aber was man sich traditionell unter Entwicklungshilfe vorgestellt hat, war tatsächlich oft nur Ersatzvornahme. Es hat unsere Partner in Abhängigkeit geführt statt sie in die Selbständigkeit zu entlassen.

Wir sehen unsere Kooperationsländer als Partner auf Augenhöhe. Sie sind keine Taschengeldempfänger für uns, und wir sind keine Kolonialherren. Unsere Partner sind souveräne Staaten mit eigenen Interessen. Die dürfen sie auch haben, wir haben schließlich auch eigene Interessen: Wir machen Entwicklungspolitik als humanitäre Aufgabe, aber natürlich auch als große Handelsnation, weil wir ein fundamentales eigenes Interesse daran haben, dass die Welt friedlich ist und dass möglichst viel Wohlstand herrscht, damit wir auch wirtschaftlich miteinander interagieren können. Wir machen dabei eine werteorientierte Politik und unterstützen unsere Partner, ihre Herausforderungen selbst zu bewältigen. Das ist der zentrale Unterschied.

Dirk Niebel im Gespräch mit Dirk Bormann

 

Wir führen regelmäßig Gespräche mit den Botschaftern und anderen Diplomaten aus Schwellen- und Entwicklungsländern – z.B. mit Mosambik oder Senegal. Die klare Botschaft ist immer wieder: „Kommt zu uns, investiert, wir unterstützen euch!“ Dennoch bleibt bei vielen unserer Unternehmer die Frage: Was ist mit dem Risiko, wie kann das minimiert werden? Was können Sie uns an Hilfestellungen, an Argumenten liefern, damit wir unsere Unternehmen dazu bekommen, in die afrikanischen Staaten zu gehen?

Niebel: Sie sagen zu recht „in die afrikanischen Staaten“ und nicht „nach Afrika“. In Afrika gibt es 54 unterschiedliche Staaten mit sehr unterschiedlichen Entwicklungsniveaus. Die Unterschiede etwa zwischen Somalia und der Republik Südafrika sind riesig. Es muss letztendlich immer eine unternehmerische Entscheidung bleiben, ob es sich lohnt, in einen anderen Rechts- und Kulturkreis zu gehen und dort wirtschaftlich aktiv zu sein. Wir können ihr dieses unternehmerische Risiko nicht abnehmen, aber wir können die Wirtschaft vielfältig unterstützen.

Mit unserer Entwicklungspolitik tragen wir dazu bei, einen Investitionsrahmen zu schaffen, der ein höheres Maß an Sicherheit gibt. Wir beraten unsere Partner bei der Korruptionsbekämpfung, beim Aufbau von funktionsfähigen Verwaltungsstrukturen, beim Zugang zu Rechtssystemen, damit in Streitfällen auch tatsächlich nach Recht und Gesetz entschieden und dann die Entscheidung auch umgesetzt wird – dies alles sind für Investitionen unverzichtbare Rahmenbedingungen.

Für Unternehmen, die sich konkret überlegen, in ein Entwicklungsland zu gehen, können wir darüber hinaus unsere Expertise zur Verfügung stellen. Wir können bera-ten und dabei auch die Informationen von GIZ, KfW und DEG hinzuziehen. Wir können durch Kofinanzierung von Machbarkeitsstudien unterstützen, wenn es Projektvorschläge gibt. Wir können Public-Private-Partnerships (PPP), also öffentlich-private Kooperationen eingehen, die auch finanziell unterstützt werden können – in der Regel aus Gründen des europäischen Wettbewerbsrechts bis rund 200.000 Euro. Wir können mit der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), einer KfW-Tochter, die ohne Steuergelder arbeitet, durch Direktinvestitionen in Unterneh-men unterstützen. Das muss sich wirtschaftlich rechnen, es muss Aussicht auf Erfolg haben, aber das sind Kriterien, die jeder Unternehmer ohnehin für sein Engagement anlegt.

Um den Zugang zu unseren Dienstleistungen zu erleichtern, haben wir im Ministerium eine Servicestelle für die Wirtschaft als einheitlichen Ansprechpartner für Unternehmen geschaffen. Und nicht zuletzt: In ausgewählte Verbänden und Kammern haben wir sogenannte EZ-Scouts geschickt, also Entwicklungsreferenten, die regional und branchenspezifisch gezielt Unternehmen beraten können, die mit dem Gedanken spielen, in ein Entwicklungs- oder Schwellenland zu gehen.

Wo sehen Sie die Potenziale des doch immer eher als Sorgenkind geltenden Kontinents? In welchen Ländern speziell?

Afrika wird in der medialen Betrachtung oft als der Kontinent der Katastrophen und Kriege beschrieben. Über die positiven Entwicklungen in Afrika wird hierzulande medial eher selten berichtet. Insgesamt ist Afrika ein absoluter Chancenkontinent! Sie als Wirtschaftsverband leisten eine große Hilfe, wenn sie daran mitwirken, die Wahrnehmung von Afrika zu verbessern.

In welchem Land sie die besten Chancen haben, lässt sich so pauschal nicht sagen, das hängt von vielen Faktoren ab. Das Beratungsunternehmen McKinsey erwartet, dass schon bald der afrikanische Löwe zum asiatischen Tiger aufholt. In Afrika sind die Renditeerwartungen an Investitionen in der Regel deutlich höher als anderswo. Es gibt einen wachsenden Mittelstand und eine immer besser auch international vernetzte und ausgebildete Mittelschicht. Das Potenzial von Kunden und Kooperationspartnern wächst ständig und ist noch lange nicht ausgeschöpft. Es gibt also viele gute Gründe, sich für Afrika zu interessieren, je nachdem aus welcher Branche man kommt.

Übrigens: Afrika ist unser unmittelbarer Nachbarkontinent. Das bedeutet nicht nur räumliche Nähe, sondern zum Beispiel auch praktisch keine Zeitverschiebung – was ich persönlich immer sehr angenehm finde und was auch fürs wirtschaftliche Handeln nicht uninteressant ist.

 

Gesprächsreihe Botschaftsbesuche

 

Und gibt es da gleichzeitig auch Maßnahmen, um Umwelt- und Sozialstandards anzugleichen, also im Sinne einer EZ, die unterstützend wirkt?

Wir machen Entwicklungskooperation, die besser wird, indem wir mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, die dadurch nachhaltiger wird und Armut wirksam bekämpft. Die reine Außenwirtschaftsförderung ist nach wie vor im Wirtschaftsministerium angesiedelt.

Wir können das wirtschaftliche Engagement von Unternehmen dann begleiten – sei es finanziell oder beratend – wenn über das reine Betriebsinteresse hinaus zusätzlicher entwicklungspolitischer Mehrwert stattfindet. Bei deutschen Unternehmen sind es übrigens häufig gerade höhere Sozialstandards, höhere Umweltstandards, das Ausbilden über die notwendigen Kapazitäten des eigenen Unternehmens hinaus, die den Unterschied machen.

Uns geht es darum, wirklich Hand in Hand einen Mehrwert zu erzielen – klassische Tripple-Win-Situationen also, von denen alle Partner etwas haben: das Unternehmen erhält wertvolle Unterstützung, das Kooperationsland profitiert von der Investition – und wir als Entwicklungspolitik können den Steuerzahler entlasten, indem wir mit dem Engagement der Wirtschaft eine zusätzliche Finanzierungsquelle erschließen.

 

 

Wenn man sich über Ihr Ministerium informiert, dann sind die Aufgaben so vielfältig und es gibt zahlreiche Grauzonen zu anderen Ministerien, dass man den Eindruck gewinnen kann, man muss sich an Sie wenden und Sie verteilen dann.

Wenn man über wirtschaftliche Zusammenarbeit nachdenkt, dann sollte man in der Tat zuerst an uns denken. Wir tragen die wirtschaftliche Zusammenarbeit nämlich im Namen, und wir haben Expertise und viele ganz konkrete Instrumente in diesem Bereich. Das BMZ verfügt über den zweitgrößten Investitionshaushalt des Bundes. Rund zwei Drittel der Mittel in meinem Etat sind investiver Natur! Auch wenn wir in der klassischen Entwicklungspolitik, zum Beispiel in der Wasserversorgung oder -entsorgung, in der Energieversorgung, in den Gesundheits- oder Bildungssystemen etwas tun, werden diese Maßnahmen ausgeschrieben. Die Ausschreibungen folgen OECD-Standards. Deutsche Unternehmen sind eingeladen, sich zu bewerben – die deutsche Wirtschaft ist sehr wettbewerbsfähig, wenn der Wettbewerb fair und frei ist. Wir achten darauf, dass es nicht nur um den Preis, sondern auch um Qualität geht.

Das Interview führten Dirk Bormann und Dominik Adrian

 

Interview (pdf)