Interview mit dem Präsidenten des BWA-Landesverbandes Sachsen-Anhalt Lutz Rätz
Magdeburg,
Der Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft kümmert sich um die Förderung der wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder, ist gleichzeitig aber auch Ort zur Entwicklung neuer Ideen und Lösungsansätze für gesellschaftlich notwendige Aufgaben und nicht zuletzt Politikberater. Der Landesverband Sachsen-Anhalt wird seit Jahresbeginn von Lutz Rätz als Präsident geführt.
In dieser Funktion eröffnete er Mitte April in Halle den Jahresauftakt des Landesverbandes Sachsen-Anhalt des BWA, der vor zahlreichen Mitgliedern aus sehr unterschiedlichen Wirtschaftsfeldern stattfand. aspekt sprach aus diesem Anlass mit Lutz Rätz.
aspekt: Das Thema des Landesauftaktes war „Fachkräftesicherung im Dialog der Generationen“. Brennt dieses Thema besonders auf den Nägeln?
Lutz Rätz: Und wie! Manchmal hat man zwar den Eindruck, dass es sich noch nicht bis in das letzte Unternehmen herumgesprochen hat, aber in einigen Branchen ist der Fachkräftemangel schon deutlich spürbar. Spätestens, wenn man sich die Zahlen der Auszubildenden und der offenen Ausbildungsplätze ansieht, merkt man, dass dieses Problem uns noch sehr beschäftigen wird.
aspekt: Der BWA-Bundesverband hat das Jahr 2015 zum „Jahr der Fachkräftesicherung“ ausgerufen. Es handelt sich also nicht nur um eine wichtige Aufgabe für Sachsen-Anhalt…?
Lutz Rätz: Beileibe nicht. Der Fachkräftemangel betrifft alle Bundesländer, und es gilt, rechtzeitig Strategien zu erarbeiten, um dem entgegenzuwirken. Der BWA sieht seine Aufgabe auch darin, solche Dinge im Interesse der Wirtschaft vorauszudenken.
aspekt: Was kann man denn konkret in dieser Hinsicht tun?
Lutz Rätz: Ich verweise vor allem auf die BWA-Broschüre „Fachkräftesicherung durch Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung“, die unter der Federführung von Professor Lothar Abicht vom isw in Halle, und meiner Mitarbeit aus der praktischen Sicht des Unternehmers erstellt.
aspekt: Broschüren gibt es viele…
Lutz Rätz: …aber eine solche bislang nicht. Darin geht es nicht um allgemeine Grundsätze, was man in den kommenden Jahren tun könne oder müsse, sondern um ganz konkrete Handlungsanweisungen, zugeschnitten auf den jeweiligen Bedarf und die jeweiligen Anforderungen. Ich habe es spaßeshalber mal mit einem Kochbuch verglichen, in dem die Rezepte stehen, wie man dem Fachkräftemangel begegnen kann.
aspekt: Können Sie dafür mal ein Beispiel nennen?
Lutz Rätz: Ich nenne nur mal ein paar Stichworte, kann aber nur raten die Broschüre aufmerksam zu lesen. Solche Stichworte sind: Wie reagiere ich, wenn trotz langfristiger Personalplanung plötzlich eine kurzfristige Personalbeschaffung erforderlich ist? Wie gewinne ich Auszubildende, um meine Belegschaft langfristig zu sichern? Wie gestalte ich Marketing an den Hochschulen? Wie gestalte ich die Integration Erwerbsloser und Behinderter? Ist die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland für mein Unternehmen ein Weg? Wie kann ich langfristig auf die Berufsorientierung von Schülern Einfluss nehmen? Was ist eigentlich Employer Branding?
aspekt: Und was ist Employer Branding konkret?
Lutz Rätz: Tue Gutes und rede drüber. Das ist der Hauptgedanke des Employer Branding. Man kann auch sagen, dass alle Kommunikationskanäle genutzt werden müssen, um eine Art Arbeitgebermarke zu entwickeln, die sich von der Konkurrenz abhebt. Das machen Großkonzerne schon lange, aber auch Mittelständler müssen sich hier einreihen.
aspekt:Gibt es auch dafür Beispiele?
Lutz Rätz: Natürlich. Bei unserem Jahresauftakt in Halle hat beispielsweise Romy Harnapp, Geschäftsführerin Blech- und Technologiezentrum Linda GmbH erklärt, wie es ihr gelungen ist, aus einem Unternehmen, das seit gerade sechs Jahren von ihr geführt wird, allein in den letzten zwei Jahren die Zahl der Mitarbeiter auf heute 87 zu steigern. Vor zwei Jahren waren es noch 20 weniger. Die Chefin engagiert sich für jeden Mitarbeiter, und ihre Leute, so sagt sie „Leben die Firma“. Das ist das Geheimnis, denn sie kümmert sich mit um Kita-Plätze oder Schulmöglichkeiten, sorgt sich um die Qualifizierung, um nur einige Beispiele zu nennen. Jeder weiß, dass er mit seinen Sorgen und Anliegen bei der Chefin stets ein offenes Ohr findet. So entstand der Ruf der Firma als exzellenter Arbeitgeber. Das spricht sich rum. Und wenn Romy Harnapp jetzt einen der raren Spezialisten sucht, dann findet sie auch einen.
aspekt: Da geht es also um den Menschen und nicht nur um die Arbeitskraft?
Lutz Rätz: Ganz richtig. Das ist ein ganz wichtiger Ansatz des BWA. Es geht unserem Verband um Gemeinwohl, um Nachhaltigkeit, um Ökologie, um Wirtschaftsethik und nicht nur um Gewinn. Natürlich muss ein Unternehmer Gewinn machen, wenn seine Firma erfolgreich sein soll. Aber zum Gewinn gehört auch, dass alle Beteiligten etwas davon haben. Insofern ist Romy Harnapp ein Vorbild und sicher auch deshalb Unternehmerin des Jahres sowie Vizepräsidentin des Landesverbandes Sachsen-Anhalt des BWA geworden.
Mit freundlicher Genehmigung von Wirtschaftsmagazin aspekt.