Eine Öko-Stadt für China

BWA stellt Kontakte für chinesische Delegation der 32-Millionen-Metropole Chongqing her.

Berlin,

Die 32-Millionen-Metropole Chongqing soll zum Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften in der Volksrepublik werden. Sie plant den ersten umweltfreundlichen Industriepark - und entworfen wird er von zwei deutschen Firmen.

Es ist das erste Industriegebiet im Land, das mit Erdwärme, Dämmung nach West-Standards und E-Mobilität geplant wird.

Bisher ist die Stadt eher als Standort für Massenproduktion bekannt. Jetzt sollen Mittelständler angelockt werden.

Ein eher unauffälliger Typ: Chinese, schmal gebaut, in einem grüngestreiften Polohemd und einer blauen Sportjacke, die schwarzen Haare sorgfältig gekämmt. Ihm folgen sechs seiner Landsmänner. Sie kommen zu Fuß aus einer Seitenstraße, alle leger gekleidet. Sie haben nichts an sich, das auf viel Macht oder viel Geld schließen ließe. Die Sieben gehen in ein China-Restaurant an der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg, "Good Friends" heißt es. Im Hinterzimmer treffen sie die Deutschen, mit denen sie drei Tage lang unterwegs waren. "Ni hao", sagen die Deutschen, "Hallo" auf Chinesisch. "Nice to meet you", sagt Johnson Lee. Er ist Sekretär der Kommunistischen Partei im Banan-Distrikt in der südwestchinesischen Stadt Chongqing. Eigentlich heißt er Jianchun Li, aber das ist für Ausländer zu schwierig. Lee schüttelt den Deutschen die Hände und lächelt. Mit Maotai, einem Schnaps aus Hirse und Weizen, Tsingtao-Bier und Muscheln besiegeln sie einen millionenschweren Deal: die Planung eines Industrieparks in Chongqing, der größten Stadt der Welt, nach dem Vorbild einer "Green City".

Erstmals hat die Parteiführung einen solchen Auftrag an zwei ausländische Firmen vergeben. Es ist das erste Industriegebiet in China, das mit Erdwärme, Dämmung nach westlichen Standards, Wäldern und Elektromobilität geplant wird. Im "European Business Park" sollen sich auf zwanzig Quadratkilometern deutsche High-Tech-Unternehmen ansiedeln. Die Chinesen wünschen sich mittelständische Unternehmen, die im Bereich Umwelt- und Antriebstechnik arbeiten. Damit soll Banan, ein Stadtteil von Chongqing, Vorreiter werden für zukunftsweisende Technologien in der "Stadt ohne Sonne". Bisher war Chongqing eher als Standort für die Massenproduktion von Autos, Laptops und Aluminium bekannt. "Wir sind die Fänger für die deutschen Unternehmen", übersetzt ein Mitarbeiter die Worte des Parteisekretärs. In über 100 Städten weltweit hat Johnson Lee schon für Chongqing geworben. "Trotzdem ist die Stadt bei deutschen Unternehmern noch relativ unbekannt", sagt Jens Hildebrandt, stellvertretender Leiter der Auslandshandelskammer Südchina.

Ob sich deutsche Unternehmen von den Chinesen locken lassen, hängt zu einem großen Teil von Bernd Bötzel ab. Er ist Vorstand der Diederichs International, einer Firma für Projektplanung mit Sitz in Berlin. Innerhalb von zwölf Wochen soll Bötzel ein Konzept erarbeiten. "Noch sehen die Industrieparks in China alle gleich aus", sagt der 47-Jährige. "Da wird Quadratkilometer weit alles platt gemacht."

Das soll dem Gelände in der Nähe der Flüsse Jangtse und Jianling nicht passieren. "Wir wollen den Geist des Ortes bewahren", sagt Bötzel und zeigt auf seinem Laptop, wie die Fläche in Banan aussieht: bewaldete Hügel, kleine Flussläufe, Reisterrassen. Das soll stehen bleiben, sagt Bötzel - neben Fabriken, Bürogebäuden und Wohnhäusern. Er plant für das Areal eine dritte Fahrspur für Elektro-Fahrzeuge, Stromtankstellen auf Firmenparkplätzen und materialsparendes Design. Dazu sollen Dinge kommen, die in Deutschland längst selbstverständlich sind: Estrich zwischen Beton und Teppich, acht Zentimeter Dämmungen und eine Isolierung der Betonplatten an den Balkonen. "Sie können viel für das Weltklima machen, wenn Sie den Chinesen eine vernünftige Wärmedämmung verkaufen", sagt Bötzel.

Mit dem Vorzeigeprojekt will die Parteiführung die heimischen Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit erziehen. Dafür war Johnson Lee in Deutschland auf Werbetour. Der 52-Jährige und seine 0Mitarbeiter waren bei VW, BMW Motorrad, Bosch, Metro und Lanxess, aber auch bei Erfindern wie eRockit in Berlin. Die Firma hat ein Hybridmotorrad entwickelt, noch fehlt aber ein Investor für die serienmäßige Produktion.

Johnson Lee ist noch nicht lange Parteisekretär im Banan-Distrikt. Zehn Jahre lang war er bei Coftec, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt. Als Bo Xilai, ein Abkömmling einer der acht wichtigsten Polit-Familien in Peking, 2007 Bürgermeister von Chongqing wurde, machte er Lee zum Parteifunktionär. Bo Xilai gab ihm freie Hand, in fünf Industriegebieten, darunter dem Banan-Distrikt, auszuprobieren, wonach ihm der Sinn stand. Chongqing hat als eine von vier Städten, die der Zentralregierung unterstellt sind, alle Freiheiten, die das von der Kommunistischen Partei geführte Land zu bieten hat.

Bo Xilai war es, der mit der Korruption Schluss machte, der betrunkenen Autofahrern zwei Wochen Gefängnis verordnete und der die Bewohner seiner Stadt zum öffentlichen Üben "roter Lieder" verpflichtete. Er formulierte das ehrgeizige Ziel, aus der staubigen Metropole in der Nähe des Dreischluchtendamms ein Modell für die Entwicklung der Städte im Westen zu machen. Dafür ließ er zum Beispiel innerhalb von Tagen Tausende Bäume pflanzen. Das US-Magazin "Time" zählte Bo Xilai im vergangenen Jahr denn auch zu den 100 mächtigsten Menschen weltweit.

Seine Stadt lockt im Vergleich zu anderen Millionenstädten mit niedrigeren Steuern und Produktionskosten, drei Flughäfen und einer Schienenverbindung für den Gütertransport nach Rotterdam in 13 Tagen. Der Industriepark hat einen Bahnanschluss und eine Anlegestelle für Schiffe, die zum Jangtse wollen. "Wir haben ein gutes Skelett, jetzt brauchen wir ein paar Muskeln", sagt Parteifunktionär Johnson Lee.

Damit untertreibt er ein bisschen: Chongqing ist schon jetzt eine der größten Produktionsstätten des Landes. Seit 2000 kommt der Großteil der in China produzierten Autos von hier. 120 der 500 führenden Weltmarken seien in Chongqing vertreten, sagt Lee, darunter BP, Metro, Ford, HP und BASF. Nach jahrelangen Verhandlungen fiel im März die Entscheidung - bis 2014 baut der Chemieriese aus Ludwigshafen für rund 860 Millionen Euro ein Werk in Chongqing. 30 deutsche Unternehmen haben sich nach Angaben der Auslandshandelskammer Südchina dort niedergelassen.

Chongqing, das ist der "Schauplatz eines kühnen planwirtschaftlichen Feldversuchs", wie ein Wirtschaftsmagazin schrieb, eine Stadt, die eine stabile Mittelschicht hat und die den Binnenkonsum antreiben soll. "Die Stadt hat diese Aufgabe zu erfüllen", sagt Johnson Lee bei einem Frühstück vor Berliner Unternehmern. Chongqing soll einen blauen Himmel haben, die Menschen dort sollen ihre Türen nachts nicht zumachen müssen, sagt Lee bei Croissant und Lachs mit Crème Fraîche. 100 Milliarden Dollar, so wünscht es sich der Parteifunktionär, sollen pro Jahr in die Stadt investiert werden. "Prägen Sie in Ihr Gehirn", übersetzt sein Mitarbeiter, "die neue Stadt ist Chongqing."

Über den Bundesverband für Wirtschaftsförderung und einen Geschäftsmann aus Berlin entstand der Kontakt zwischen Johnson Lee und den beiden Unternehmen, die für die Entwicklung des grünen Industrieparks zuständig sind. Die DauthKaun GmbH aus Berlin gestaltet das Logo, präsentiert den Park auf Messen und sucht nach "Ankermietern", die sich als erste ansiedeln. "Dass wir als Agentur so früh eingebunden werden, ist sehr ungewöhnlich", sagt Martin Dauth, geschäftsführender Gesellschafter. Ganz offensichtlich möchte Johnson Lee Fehler vermeiden, die andere Städte gemacht haben, als sie Industrieparks planten, ohne vorher einen Schwerpunkt festzulegen. "Die stehen heute leer", sagt Projektplaner Bernd Bötzel, "oder es haben sich nur chinesische Firmen angesiedelt." Doch die, die kommen sollten, die Deutschen, die Europäer, die kamen nicht.

Deshalb ist es Johnson Lee wichtig, dass die Green City in Banan so wird, "dass sich die Deutschen wohlfühlen". Dafür, so hat er gelernt, braucht es Bäume, nicht allzu hohe Häuser und einen deutschen Vermarkter. "Da geht es ganz viel um Vertrauen", sagt Martin Dauth. Deshalb macht die chinesische Seite nur wenig Vorgaben, was die Art des Investments angeht. "Sie können ein Joint Venture gründen, das müssen sie aber nicht", sagt Johnson Lee. Weil es den chinesischen Unternehmen bislang an Ideen mangelt, versucht er, viele Technologiefirmen aus Deutschland anzuwerben. In drei Jahren sollen die ersten Gebäude stehen. "Ich hoffe, dass so auch unsere Unternehmen nachhaltiger werden - dann würden wir viele Aufträge an deutsche Unternehmen vergeben."

Lees Besuch in Deutschland war erfolgreich. Nur eine Sache ist ihm nicht gelungen: Eine direkte Flugverbindung von Deutschland nach Chongqing zu organisieren. LTU flog die Strecke, doch nach der Übernahme durch Air Berlin war damit Schluss. Nun versucht Johnson Lee, wieder mit der Airline ins Geschäft zu kommen. Er sei bereit, jede Flugstunde von Deutschland nach Chongqing mit einem vierstelligen Dollar-Betrag zu subventionieren, sagt der Chinese. Trotzdem bekam er bei Air Berlin keinen Termin. "Ich muss wohl noch mal wiederkommen", sagt er und grinst.

 

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