Budenheim,
Woher weiß ein Blinder, dass er im Lokal auf die richtige Toilette geht? Praktische Probleme wie dieses stellten sich vor rund eineinhalb Jahren Rüdiger Wissemborski und seine Mitstreiter bei der Chemischen Fabrik Budenheim. Das Ergebnis dieser Frage wurde nun mit dem Innovationspreis „Land der Ideen“ ausgezeichnet.
Passenderweise setzte die Lösungssuche in der Chemiefabrik, die zur Oetker-Gruppe gehört, bei Backpulver an. So wie ein Kuchen bei Hitze aufgeht, sollte auch der Kunststoff bei punktueller Laser-Bestrahlung „aufgehen“, berichtet Esther Sauer aus der Entwicklungsabteilung von Budenheim. Und tatsächlich, so führt Wissemborski aus, ist eine Backpulver-Komponente Teil der Beimischung, die Kunststoffen hinzugefügt wird, damit diese millimetergenau zum Aufschäumen gebracht werden können.
Braille-Schrift auf Türklinken
Damit die blinden Menschen in der Gaststätte die richtige Tür finden, muss diese Beimischung dem Kunststoff, aus dem die Türklinke gefertigt wird, hinzugefügt werden. So kann zunächst eine ganze Reihe Klinken produziert und danach bei einigen davon ein individueller Text in Braille-Schrift angebracht werden. Das geht schnell, braucht kein zusätzliches Material, kann nachträglich gemacht werden und ist hygienischer, betont Budenheim-Geschäftsführer Professor Jürgen Kulpe.
Kaum war die Idee gefasst und erprobt, wurde die Kunststoffaufschäumung auf der Expo 2010 vorgestellt, ein Patent angemeldet und die Bewerbung auf den Weg gebracht. Nun ist Budenheim einer der „365 Orte im Land der Ideen“, die seit 2006 jährlich von der Standortinitative „Land der Ideen“ und der Deutschen Bank unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ausgezeichnet werden. 2 600 Bewerber stellten sich einer 20-köpfigen Jury. „Mit großem Engagement und Leidenschaft machen die ‚ausgewählten Orte‘ Innovationskraft in Deutschland sichtbar und geben wichtige Impulse für heute und morgen“, sagte Olaf Klose von der Deutschen Bank und fügte hinzu: „In einem rohstoffarmen Land geht es darum, durch Ideen Märkte zu erschließen.“ Insofern sei Budenheim „eines der Beispiele, die Deutschland ausmachen“. Darum, „in einem Standort Deutschland, der nicht immer der günstigste ist, trotzdem Werte zu schaffen“ gehe es der Chemischen Fabrik laut Geschäftsführer Harald Schaup.
Von Torben Schröder