„Bildungspolitik ist wie die Reparatur einer weiter tickenden Uhr“

NRW-Bildungsministerin Löhrmann zu Gast bei BWA-Diskussion: Gute Bildungspolitik erfordert Geduld und zeigt sich erst nach vielen Jahren

Düren/Berlin,

Bildungspolitik ist eine enorme Herausforderung, weil sie Veränderungen im laufenden Betrieb vornimmt und deren Auswirkungen erst nach vielen Jahren offensichtlich werden. Dies war eine der Kernaussagen von Sylvia Löhrmann, NRW-Ministerin für Schule und Weiterbildung, bei der Diskussionsveranstaltung „Bildung: Quelle unseres Wohlstands!“ am Mittwoch in Düren. Um den Dialog zwischen Unternehmen, Politik und Schule zu intensivieren, hatte der Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) eingeladen. Mit der Ministerin diskutierten Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar Abicht, BWA-Vizepräsident und Geschäftsführer am Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung in Halle, Rainer Deliege, HR Director Europe der Dürener Isola GmbH, Volker Lehmann, Studienrat am Berufskolleg Kaufmännische Schulen des Kreises Düren und Florian Pape, Auszubildender zum Mechatroniker bei Isola.

von l.n.r. Prof.Lothar Abicht, Florian Pape, Sylvia Löhrmann, Volker Lehmann, Sibylle Nußbaum, Rainer Deliege

Nach Grußworten von Gastgeber Karl Stollenwerk, Geschäftsführer der Isola GmbH, BWA-Senator Peter Nußbaum und Christoph Kleuters, Präsident des Internationalen Wirtschaftsclub Aachen-Düren erläuterte Ministerin Löhrmann die vielfältigen Anstrengungen der Landesregierung, um den Herausforderungen im Bildungsbereich zu begegnen. So sei beispielsweise durch den bis 2023 gültigen Schulkompromiss, 2011 von der rot-grünen Regierung gemeinsam mit der CDU-Opposition beschlossen, eine nie dagewesene Kontinuität im Schulbereich gewährleistet. Dabei warb die Landesministerin um Verständnis für die komplexen Abläufe: „Bildungspolitik ist wie die Reparatur einer weiter tickenden Uhr. Leider können wir das System nicht anhalten, korrigieren und komplett neu starten.“ Umso wichtiger sei es, die Vielzahl der betroffenen Interessensgruppen von den Schülern über die Bildungsträger bis hin zu den späteren Arbeitgebern zu hören, sie einzubinden und dann die bestmögliche Lösung zu finden. Dabei warb Löhrmann auch um Geduld: Die Auswirkungen von Maßnahmen im Bildungsbereich zeigten sich erst nach vielen Jahren, wenn die betroffenen Schüler-Generationen entsprechend älter geworden seien.

„Fachkräftemangel in fünf Jahren mit voller Wucht“

Prof. Dr. Abicht verdeutlichte als Leiter der BWA-Kommission „Fachkräftesicherung und Bildung“ die Rolle der Bildung als Basis für den Wohlstand Deutschlands. Einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung des Fachkräftebedarfs könne die direkte Kooperation von Wirtschaft und Bildung leisten. Vielerlei Maßnahmen seien hier auch vom BWA bereits angestoßen worden, doch mittelfristig ließe sich die negative Entwicklung wohl nicht ganz stoppen: „Den Fachkräftemangel, von dem wir heute reden, werden wir in fünf Jahren mit voller Wucht spüren.“

Auf die gestiegenen Anforderungen vieler Ausbildungen wies Rainer Deliege hin. Berufsbilder hätten sich enorm weiterentwickelt, z. B. vom Dreher zum heutigen Zerspanungsmechaniker, der mehr programmieren muss als handwerklich zu arbeiten. Es gebe immer weniger Jugendliche mit dem Potenzial, diesen gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Daher müssten neue Wege beschritten werden wie die verstärkte Schulung der Ausbilder. Da kleinere Betriebe den gestiegenen Aufwand mitunter nicht mehr selbst bewältigen könnten, seien auch ganz neue Lösungen wie die Weiterentwicklung der dualen zur trialen Ausbildung notwendig: Hier kommt zu Ausbildungsbetrieb und Berufsschule das Ausbildungsnetzwerk als dritter Partner und übernimmt bestimmte Ausbildungsinhalte wie die Auswahl von Auszubildenden und die Bereitstellung der Infrastruktur wie etwa teure Maschinen. Diesem von Isola in einem Trainingszentrum bereits realisierten Modell gehöre sicher die Zukunft, so Deliege.

Aus der Lehrpraxis berichtete Volker Lehmann von den konkreten Maßnahmen, die das Berufskolleg Kaufmännische Schulen bereits ergriffen habe. So würden Eingangstests aller Schüler deren individuellen Förderungsbedarf in verschiedenen Fächern ermitteln. Doch es bestünden viele Herausforderungen wie bspw. eine geringere Leistungsbereitschaft und vermehrt auftretende psychische Probleme bei den Schülern, für deren Lösung einer Institution wie dem Berufskolleg schlichtweg die Möglichkeiten fehlten. Florian Pape bestätigte die gestiegenen Anforderungen auch aus Sicht der Auszubildenden. Die guten Bedingungen bei Isola seien aber leider nicht Standard. Daher forderte er mehr und besser qualifizierte Ausbildungskräfte mit sozialpädagogischer Zusatzausbildung und für die Schule mehr Berufsvorbereitungs- und -orientierungsmaßnahmen. Sonst sei die richtige Berufswahl angesichts des unüberschaubaren Ausbildungsangebotes kaum möglich.

 

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