Expertenrunde für verstärkten Einsatz von Transfergesellschaften in der Berufsweiterbildung
Neustadt bei Coburg,
Weiterbildung und Transfergesellschaften sind wirksame Instrumente, um Menschen und Regionen für die eingeleiteten Strukturveränderungsprozesse unserer Volkswirtschaft zu wappnen. Das bekräftigte die Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Anette Kramme (SPD), im Rahmen eines Expertengesprächs am Freitag in Neustadt bei Coburg. „Wir müssen es in Deutschland hinkriegen, dass die Menschen qualifiziert werden“, forderte sie. Unterstützungsleistungen des Bundes und der Arbeitsagentur, die über die aktuellen Programme und Zusagen hinausgehen, schloss sie nicht aus.
Kramme warnte vor einer möglichen Welle von Firmenpleiten, die nach Ablauf des aktuellen Moratoriums im Insolvenzrecht, der Kurzarbeit-Ausnahmeregelung sowie der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verkürzung der Restschuldbefreiung ab Juli 2021 droht: „Es wird passieren, dass wir eine erhöhte Zahl von Insolvenzen haben“, sagte sie und knüpfte die Frage an: „Wird das die Szene schaffen?“
Mit der „Szene“ diskutierte die Bundespolitikerin Kramme in Begleitung des Bamberger SPD-Stimmkreisabgeordneten Andreas Schwarz auf Einladung der connect.QBV GmbH in Neustadt. Teilnehmer des Gedankenaustauschs waren Dirk Bormann, Vorstandsmitglied des Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (Berlin), Mathias Eckardt vom Deutschen Gewerkschaftsbund, DGB-Region Oberfranken (Bamberg), der Fachanwalt für Insolvenzrecht Klaus-Christof Ehrlicher (Coburg), der Bevollmächtigte der IG Metall in Coburg, Jürgen Apfel, der Oberbürgermeister der Stadt Neustadt bei Coburg, Frank Rebhan, sowie die connect.QBV-Geschäftsführer René Leibold und Georg Hofmann.
Anhand eines aktuellen Praxisbeispiels aus Coburg wurden Leistungen und Limits von Transfergesellschaften deutlich. Mathias Erl, Harald Januszewski und Klaus Hofmann schilderten die Schwierigkeiten persönlicher Berufsneuorientierung, nach über 40jähriger Tätigkeit für ein örtliches Industrieunternehmen. Übereinstimmend würdigten sie die professionelle Unterstützung durch die Transfergesellschaft. Jedoch habe die Corona-Krise die Findung einer Anschlusstätigkeit teils ausgebremst, sodass mit Auslaufen ihrer Fördermaßnahme nach einem Jahr jetzt Arbeitslosigkeit droht.
„Transfer ist gut - Transfer im Kleinen ist enorm wichtig!“ Auf diese Formel wollte René Leibold seine Wünsche an die Bundesregierung gebracht wissen. Es zeichne sich ab, dass einzelne Regionen von Strukturveränderungen in der Wirtschaft „möglicherweise wieder besonders betroffen sein werden“. Angesichts enormen Erfolges und Effizienz von Transfergesellschaften sei sicherzustellen, „dass wir mit diesem Instrument handlungsfähig bleiben“.
Den Schlüssel dazu erkennen alle Teilnehmer des Expertengesprächs in Lösungs-Optionen auf regionaler Ebene. „Man kann immer dann was bewegen, wenn die Player vor Ort sind“, betonte Neustadts Oberbürgermeister Rebhan und sprach sich dafür aus „dass dieser Aspekt der Lokalität bei Auftragsvergaben und Ausschreibungen der Arbeitsagentur eine große Rolle spielt“. Auch BWA-Sprecher Bormann sagte, „die Regionen müssen gestärkt werden“. Darüber hinaus forderte er, in Transfergesellschaften müsse mehr gemacht werden als bisher, damit Unternehmen erhalten bleiben. Fachanwalt Ehrlicher schloss sich der Anregung an: Drohende Zahlungsunfähigkeit zeichne sich bereits deutlich vor Insolvenzanmeldung ab und könnte deshalb frühzeitig von Transfergesellschaften begleitet werden.
Kurzarbeit sollte für Weiterbildungsanstrengungen genutzt werden, schlug DGB-Sprecher Eckardt vor und forderte, die Regierung müsse das „Qualifizierungsforderungsprogramm in die Unternehmen tragen“. Er warnte vor Veränderungen nach Überwindung der Corona-Krise: „Vor einem halben Jahr haben wir noch den Fachkräftemangel bemüht, inzwischen liegen die Abbaupläne schon in den Schubladen“. Bevollmächtigter Apfel bekräftigte: „Da muss jetzt mehr passieren!“ Die Tarifforderung der IG-Metall nach einer Vier-Tage-Woche sei auch deshalb entstanden, weil in den Unternehmen „insgesamt viel zu wenig getan wird für die Qualifizierung“.
MdB Schwarz verwies darauf, dass vom Bund zur Verfügung gestellte Mittel in Förderprogrammen nicht abfließen. „Wir haben ein Umsetzungsproblem“, beklagte er. Zugleich bekräftigte er seine Überzeugung, dass Berufsweiterbildung „enorm wichtig“ sei, „wenn wir vernünftig aus der Krise kommen wollen.“ connect.QBV Geschäftsführer Leibold zeigte auf, dass der Zuschnitt von Förderprogrammen häufig nicht auf lokale Erfordernisse passt: „10, 12, 15 und mehr Menschen erreichen wir für Einzelmaßnahmen oft nicht.“ Um dennoch auch für kleine und mittlere Unternehmen bedarfsgerecht tätig sein zu können, bräuchten Transfergesellschaften mehr Flexibilität in den Förderbedingungen. „Wir wünschen uns den Erhalt der Möglichkeit, es klein zu machen“, sagte Leibold und räumte zugleich ein, dass dies mehr Aufwand verursache als „der große Jahresplan“, der jedoch „nicht unserer Realität entspricht.“